Raspehaus


Ein altes Haus* 

… Wir haben hier in Rastenberg ein altes Haus, erbaut 1641 von Thomas Raspe, Kurfürstlich sächsischer Amtsvoigt, so steht es in Stein gemeißelt am Türbogen. In der Gemeinde heißt es kurz das Raspehaus, und die Rastenberger hängen an ihm, vielleicht seines ehrwürdigen Alters wegen, wie man einem Greise, der viel durchgemacht hat in seinem langen Leben, ehrerbietig gegenüber ist. Und das alte Haus hat wirklich viel durchgemacht. Könnte uns viel erzählen. Es könnte mit der DDR sprechen: „Auferstanden aus Ruinen“ 1640, mitten im dreißigjährigen Krieg, lag der Oberst Königsmark mit seinen schwedischen Reitern im Ort, die plünderten, brandschatzten, und dabei ging die ganze Herrengasse und mit ihr das Anwesen von Thomas Raspe in Flammen auf, das einzige, was blieb, war der schöne große Torbogen mit der Jahreszahl 1605. Eine traurige Zeit, zu Beginn des langen Krieges hatte Rastenberg 1200 Einwohner, 1640 noch 502, und die Hälfte der Äcker lagen unbearbeitet, wüst. Aber nach dem großen Brand von 1640 gingen der Schmied, der Stellmacher, der Bauer und auch Thomas Raspe daran, den Schutt aufzuräumen, und aus Ruinen wuchsen Wohnungen, Werkstätten, Scheunen und Ställe. 

Thomas Raspe aber hatte aus dem Unglück gelernt, nicht noch einmal sollten ihn Landsknechte unvorbereitet finden, so baute er in das neue Haus Schießscharten, um das Anwesen zu verteidigen, Schloß und Riegel hatten nicht standgehalten, jetzt wurde ein langer Balken in die Mauer eingelassen, der bei Gefahr vorgezogen wurde und den Eingang so sicher schützte. Dieser Balken ist heute noch gängig, historisch gesehen eine einmalige Schließvorrichtung. Zu erwähnen ist noch der Türklopfer, der letzte in Rastenberg, eine brave Grobschmiedearbeit. Ein Prachtstück aber ist die Treppe im Haus, wuchtig, schlicht und dadurch schön, ein Meisterstück der Zimmermannskunst vor 350 Jahren, alles Eiche und Mäanderbundverzierung, kein zweites Stück findet sich in Rastenberg. Und die Urenkel von Lucas Cranach spielten auf ihr und in dem großen Hause. Thomas Raspe hat nicht lange in dem neuen Haus gelebt, 1675 stirbt mit seinem Sohn das Geschlecht aus. 

Andere Menschen wohnten nun im Raspehaus, lange Zeit war es die Familie Mirus, ein achtbarer Name! Denn die Mirus stammen in direkter Linie von Lucas Cranach, unserem größten thüringischem Maler des Mittelalters ab! Sie waren Bauern, die Hektarzahl war nicht groß, so waren sie im Nebenberuf Stadtschreiber und Bürgermeister. Sie waren, wie man so sagt, nicht gut begütert, aber trotzdem vermachte ein Mirus der Stadt Rastenberg ein Legat von 150 Talern, die Zinsen sollten für die Instandhaltung des Friedhofes verwendet werden. (Winkelmann der Wiederentdecker der Antike, bekam als Lateinlehrer und Prorektor in Stendal damals 140 Taler Jahresgehalt.) Ich möchte heute einen in Rastenberg finden, der bei einem dicken Bankkonto etwa 4500 Mark (so könnte man den Geldwert bemessen) für diesen Zweck opferte, es würde dem Friedhof guttun. Die Gemeinde ehrte Mirus, indem sie einen Waldweg am Rotland die Mirusallee benannte. 

Nachkommen der Mirus, und damit direkte Nachkommen von Lucas Cranach leben hier noch drei Familien, einer ist wieder Maler.

Nun ist das Haus 350 Jahre alt, morsch und zerbrechlich. 

Das Raspehaus ist ein Stück Heimat, das nicht vergehen darf.

Robert Wagner
Rastenberg, den 28. 01. 1979 

* Auszug aus einem Brief von Robert Wagner

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Eine kleine Enzyklopädie zur Stadt Rastenberg, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Der Name Raspedia setzt sich aus "Rastenberg" und „Encyclopedia“ (englisch Enzyklopädie) zusammen.