Barfleck


Das Barfleck*

In Thüringen liegt ein altes Schloss,
Die Raspenburg genannt,
Du findest kaum die Stätte noch, Wo es vor Zeiten stand.

Die Mauern alle decket Gras,
Versunken ist der Turm,
In seinem Schlunde bergen sich
Nur Kröten, Molch und Wurm.

Und drüben siehst du hoch im Wald
Ein Fleck, von Bäumen leer;
avon geht in des Volkes Mund die trauervolle Mähr:

Graf Heinrich Raspo kehrte einst heim vom Fehdezug.
Das schwarze Ross inmitten die schönste Beute trug:
Bald hält er vor dem Turme. ,,He Torwart schließet auf.
Verwahrt dies Kleinod, wahrlich, dies war kein leichter Kauf!”

Und tückisch in sich lachend sprengt er wohl in sein Schloss;
Ein Strom von heißen Tränen aus Wandas Augen floss.
Wie bleich ach ihre Wangen, der Rosenmund wie blass!
Sie fleht empor zum Himmel – horch, klingt ein Fensterglas?

lst’s Raspo, der im Saale mit den Genossen zecht?
Sie lugt hinaus und drunten steht Rolph der treue Knecht.
Ob hoch und eng das Fenster, das Mägdlein schmiegt sich vor,
Passt mutig in das Gitter, zerbricht es leicht wie Rohr.

Und ob der Abgrund gähnet; sie wagt’s mit Gott und springt;
Sie stürzt – doch nein, ein starker Arm sicher sie umschlingt.
Und nach dem Streitholz lenken beflügelt sie den Lauf.
0 weh! da schleicht verräterisch der gelbe Mond herauf!

Der tritt sacht aus den Wolken, zeigt sie dem Grafen an –
Ha welche Schatten klimmen dort hastig Gipfel an?
,,Ihr Reisige in Waffen! Hinaus!” der Graf gebot,
,,Die Flüchtigen fangt eilend lebendig oder tot!”

Der Pfad wie steil und dornig, ach Rolph, mir wird so bang!
,,Vernimmst du nicht im Thale wie scharfer Schwerter Klang?”
,,Mein Lieb, ,s ist’s Kreuz am Kloster, vom Abendwind bewegt.”
,,Hörst du den Lärm?”
,,Die Mühl ist’s, die drunten stampft und schlägt.”

Doch näher dringt das Rasseln, im Dickicht wird es laut.
,,Gib mir den Dolch, im Tod nur wird Wanda dir getraut!”
Tief in der Brust das Eisen, sinkt er in selben Tod. –
Die Söldner nah’n und schauen zwei Leichen blutig Rot.

Und auf dem Flecke sprießet seitdem kein Gras, kein Baum,
Soweit des Blutes Strömung, ist öd’ und leer der Raum.
Und Gräuel auf Gräuel häuften im Schloss sich Nacht wie Tag,
Bis dass der Zorn des Himmels die Türm’ und Mauern brach.

* Die Sage vom Barfleck

© Raspedia

Eine kleine Enzyklopädie zur Stadt Rastenberg, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Der Name Raspedia setzt sich aus "Rastenberg" und „Encyclopedia“ (englisch Enzyklopädie) zusammen.